Wiesnbierpreis: Wo bleibt die Revolution?

2014 reißt der Bierpreis erstmals die Zehn-Euro-Hürde. Ein Skandal? Vielmehr scheint es niemanden zu interessieren. Die Revolution bleibt aus.

Nun ist es also so weit: DerBierpreis auf der Wiesn 2014 reißt die 10-Euro-Hürde.

Fad ist er geworden, der Münchner. 1844 initiierten Soldaten infolge der Bierpreiserhöhung um einen Kreutzer ausgehend vom Maderbräu viertägige Krawalle, die in hunderten Verhaftungen und einer Rücknahme der Preiserhöhung resultierten. Auch im Revolutionsjahr 1848 spielte der Bierpreis eine bedeutende Rolle bei der Mobilisierung der Massen in München und ganz Bayern.

Die Diskussion um den Bierpreis, v.a. den des Wiesnbieres, hat zwar auch 170 Jahre später nicht an seiner Beständigkeit verloren, doch letztendlich verhallt diese so schnell, wie sie jedes Jahr im Mai oder Juni wieder von Neuem auftaucht. Seit den 1970ern war die jährliche Preiserhöhung mit gerade einmal zwei Ausnahmen eine Selbstverständlichkeit, die die Münchner Öffentlichkeit, freilich mit etwas vorgetragenem Unmut, vier Monate später schon wieder vergessen hatte. Auch dass allgemeine Inflation und Wiesnbierinflation inzwischen gerne um vier Prozentpunkte auseinanderliegen, scheint bisher keine Spuren hinterlassen zu haben.

Natürlich können wir froh sein, dass das Hofbräuhaus am Platzl nicht in Flammen steht, nachdem dort der Bierpreis dieses Jahr auf acht Euro erhöht wurde. Doch die ewige Preisdebatte beinhaltet heuer einen besonderen Aspekt. Ende März wurden im Rahmen des Steuerhinterziehungsprozesses des ehemaligen Hippodromwirts, Sepp Krätz, erstmals belastbare Zahlen zum Verdienst eines Wiesnwirtes einer großen Öffentlichkeit bekannt. 3,1 Millionen Euro Vorsteuergewinn erwirtschaftete das viertkleinste der großen Wiesnzelte 2013. Generell ist ein Gewinn dieser Größenordnung nichts Unmoralisches. Wer in der Lage ist, sich ein derart profitables Geschäft aufzubauen, hat Respekt und Anerkennung verdient.

Nur: Ein Wiesnwirt ist kein Einkommensmillionär, weil er so ein überragender Wirt ist, wie es ihn auf der Welt höchstens noch 13 Mal gibt, sondern schlicht und einfach deshalb, weil ihm von der Stadt München eine Lizenz zum Gelddrucken in Form einer Wiesnzulassung ausgestellt wurde. Das beste Bierzelt der Welt könnte in Unterhaching stehen – es würde niemanden interessieren. Ein mittelmäßig verwaltetes Zelt auf der Wiesn hingegen bleibt ein Millionengeschäft. Böse Zungen mögen gar behaupten, dass einige Wirte letzteres jährlich aufs Neue beweisen.

Somit stellt sich die Frage, ob eine Veranstaltung, die von öffentlicher Hand mit Verlusten in sechsstelliger Höhe organisiert wird, als Plattform für eine Sonderwirtschaftszone dienen darf, die den Wirten derartige Gewinne beschert? Schließlich verlangte die Stadt beispielsweise 2011, um nicht als Preistreiber dazustehen, gerade einmal im Schnitt 170000€ Platzgeld pro großem Wiesnzelt. Diese sind vermutlich in den ersten beiden Stunden nach der Eröffnung schon wieder verdient. Nun ist es durchaus richtig, dass die Stadt mit der Wiesn selbst, genauso wie mit anderen Veranstaltungen keinen Gewinn erwirtschaften soll, doch wäre es nicht angemessen, die Standgelder mit dem Ziel einer schwarzen Null zu erhöhen? Zwischen 1899 und 1913 wurden die Plätze gar versteigert. Allerdings will sich wohl niemand vorstellen wollen, wie heute eine solche Wiesn ausschauen könnte.

Die Gewinne aller beteiligten würden dadurch nur unwesentlich geschmälert. Somit bliebe auch dann noch ausreichender Spielraum, um Druck auf die Preisgestaltung auszuüben. Ja freilich, die Wiesn verursacht für ihre Beschicker erhebliche Kosten. Nirgendwo sonst erlebt der Volksfestbesucher derart prächtige Biertempel wie auf der Theresienwiese. Doch dafür konsumiert er eben auch in so großer Zahl und so effizient über den Tag verteilt, wie sonst nirgendwo. In den beliebteren Wiesnzelten wird jeder Platz zwei bis drei Mal am Tag neu besetzt. Ein Mehr von zwei Euro pro Maß oder gar bis zu sieben Euro beim Schweinsbraten im Vergleich zur Münchner Innenstadt ist somit schlicht und einfach nicht erforderlich. Wieso ist also die Preisgestaltung nicht einfach Teil der Ausschreibungen?

„Ich hoffe, diese Erhöhung reicht für das nächste Jahr mit und die Preise bleiben 2014 stabil“, gab der damalige Wiesn-Chef Dieter Reiter im Vorjahr zu Protokoll. Dass hoffen ohne Taten nicht reicht, wurde einmal wieder bewiesen.