Macht sich bei der Stadt überhaupt jemand Gedanken, was die Marke „Oktoberfest“ überhaupt ausmacht?

Kürzlich wurde bekannt, dass die Landeshauptstadt München als Veranstalter des weltbekannten Oktoberfests erstmals gegen einen Veranstalter eines Festes gleichen Namens rechtlich vorgehen will. Gegner ist das „Oktoberfest Dubai“, das Veranstalter sein Charles Blume, dessen Laufgeschäft „The Tower“ auch Wiesnbesuchern bekannt ist, recht eindeutig mit Bildern aus München zu vermarkten versucht.

Der erst kürzlich erteilte Markenschutz ist für diesen Rechtsstreit die Voraussetzung, die erregungsträchtige, da grob irreführende Spiegel-Schlagzeile, „Veranstalter wollen Oktoberfest nach Dubai verlegen“, der Anlass. Verständlicherweise findet es Wiesnchef Clemens Baumgärnter „aus Sicht der Landeshauptstadt München erschreckend, dass Dritte die Absage zum Anlass nehmen, sich selbst zu bereichern“.

Nun möchte er also den neuen Markenschutz nutzen, um „das kulturelle Erbe des Oktoberfests weitest möglich zu schützen, insbesondere vor Trittbrettfahrern.“ Und hier endet auch schon die eindeutige Verständlichkeit des Anliegens. So sind beispielsweise die „Trittbrettfahrer“, die für das ebenso irreführende „Wiesnzelt am Stiglmaierplatz“, einer „Oktoberfest-Party“ im Löwenbräukeller, verantwortlich, sind sogar selber Wiesnwirte und gehören damit zu den wichtigsten Akteuren auf der Wiesn.

Die Verwendung der Begriffe Wiesn und Oktoberfest in Kontexten, die mit dem größten Volksfest gar nicht so viel zu tun haben, ist durch den letztjährigen Wiesnausfall noch einmal näher an das Original herangerückt. Selbst in Oberbayern und der Landeshauptstadt selbst werden inzwischen bairische Klischees nicht einmal mehr als solche, sondern als „irgendwas mit Wiesn“ vermarktet. Beleben Altstadtwirte leider in Vergessenheit geratene Wirtshausmusik, sprechen sie von einer „Wirtshauswiesn“ und bedirndelte Frauen mit Midsommarhaarschmuck werden als „Wiesnmadl“ betitelt. Man könnte fast meinen, man müsse, um mehr Münchner ins Hofbräuhaus zurückzubekommen, dieses lediglich in „Wiesnhaus am Platzl“ umbenennen.

Noch ärgerlicher als die inflationäre Verwendung der beiden neuen Markenschützlinge ist die von uns immer wieder kritisierte Tatsache, dass man auf der Wiesn selbst auch nicht so recht zu wissen scheint, woraus denn ihr Markenkern überhaupt entsteht. Seit dem wahltaktisch begründeten Ersatz der Grande Dame des Oktoberfests, Gabriele Weishäupl, durch den damaligen Bürgermeisterkandidaten Dieter Reiter ist das Oktoberfest leider kopf- und führungslos.

Während Frau Weishäupl immerhin selber eine Vorstellung davon hatte, was die Wiesn ausmacht und sich auch vor markigen Sprüchen à la „Mia san koa Disco“ nicht scheute, machten insbesondere Reiters Nachfolger hinter vorgehaltener Hand eher durch Ahnungslosigkeit und Desinteresse von sich reden. Es gibt momentan niemanden, der sich darum kümmert, was die Wiesn eigentlich ausmacht, welche Aspekte vor dem Zeitgeist zu schützen sind und wie man dies auch umsetzt. Das Oktoberfest ist eine Ganzjahresaufgabe, das eine eigenen Direktor verdient hat, der sich um nichts anderes kümmert, so wie es vor der Umstrukturierung für Herrn Reiter noch der Fall war. Im Rahmen des Vorgehens gegen Dubai ließ Baumgärtner wissen, „das Oktoberfest ist ein über 200 Jahre gepflegtes Kulturgut.“. Eine Aussage, deren Kern er gerne noch einmal prüfen darf.

Wir wollen auch Gabriele Weishäupl nicht verherrlichen. Zwar sorgte sie sich beispielsweise durch Regulierung der Musik, die in den Zelten gespielt werden darf, um den Traditionscharakter des Festes, doch ernsthaft durchgesetzt wurden viele derartige Regeln nie. Und so meinen manche Wiesnwirte inzwischen den traditionellen Anstrich des Festes offenbar mit Showbands und Lichtshows, den Volksfestcharakter mit Menüzwang und „harten Türen“ sichern zu können.

Man kann der Landeshauptstadt keinen Vorwurf machen, ihre Weltmarke schützen zu wollen. Wenn Amerikaner heute zu großen Teilen meinen, „Oktoberfest“ sei ein deutscher Feiertag oder eine Jahreszeit, ist offenbar einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Doch muss sie dafür dann auch vor der eigenen Haustür kehren und sich seiner eigenen Marke bewusst werden und sie dann auch entsprechend pflegen. Derweil findet man auf der Theresienwiese einmal im Jahr die größten Schlagerdiscos und Irish Pubs der Welt – mit lecker Bier und zünftigen Lederhosenjungs. Oans, zwoa, droa, gsuffa, ne?

Jetzt interessiert uns: Was macht für Sie die Wiesn aus?